Wie lange nutze ich die Babyschale um mein Kind zu sichern?
Die Babyschale sollte (sofern sie einen 5-Punkt-Gurt besitzt – siehe Punkt 3) so lange wie möglich genutzt werden. Dies hängt von 2 Faktoren ab: Von den Körperproportionen des Kindes und vom Gewicht. Grundsätzlich gilt: Wenn der Kopf des Kindes nahezu (ca. 1-2 Fingerbreit) das obere Ende der Babyschale, oder das Kind 13 Kilogramm erreicht hat, ist es Zeit sich nach einem passenden Folgesitz umzusehen. Meist geschieht der Wechsel (leider meist in vorwärtsgerichtete Systeme) aber schon viel früher da das Kind quengelt, weil es sich in der Babyschale nicht mehr wohlfühlt. Und genau hier liegt die Gefahr für euer Kind.
Wieso überhaupt rückwärts nach der Babyschale?
Der wichtigste Grund um sein Kind so lange wie möglich über die Babyschale hinaus rückwärtsgerichtet im Auto zu transportieren ist folgender:

Es ist 5-mal sicherer sein Kind rückwärtsgerichtet statt vorwärtsgerichtet zu transportieren!

Das heißt in Zahlen: In einem vorwärtsgerichteten, herkömmlichen Gruppe 1 Sitz (der Folgesitz nach der Babyschale) ist euer Kind zu 60 % geschützt. In einem rückwärtsgerichteten Rückhaltesystem (sog. „Reboarder“) ist euer Kind zu 95 % geschützt!
Wie kommt es zu einem solchen Sicherheitsunterschied?
In einem vorwärtsgerichteten Kindersitz wird das Kind durch den 5-Punkt-Gurt (Gurte gehen über die Schultern und über das Becken des Kindes und ist zwischen den Beinen fixiert. Dies sind insgesamt 5 Punkte an denn die Gurte am Sitz befestigt sind. Daher der Name 5-Punkt-Gurt) im Sitz zurückgehalten.

Im Falle eines Crashs wird der Kopf des Kindes als einziges bewegliches Teil das nicht angeschnallt ist nach vorne geschleudert. Die noch weiche Wirbelsäule muss hier unwahrscheinlich hohen Kräften standhalten die sich mit Streckkraft von 350 kg vergleichen lassen. Die Verletzungen die hier entstehen können reichen von Wirbelsäulenverletzungen, über Querschnittslähmung bis hin zum Genickbruch. Bereits ab einer Streckkraft von 130 kg können diese Verletzungen die Folge sein. Die Belastung bei einem Frontalaufprall mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h* im vorwärtsgerichteten Sitz kommt einem ungesicherten Sturz aus dem 3. Stock gleich.

* Bei einem Frontalcrash mit einem anderen Fahrzeug addiert sich die Aufprallgeschwindigkeit um die Geschwindigkeit des entgegenkommenden Fahrzeugs! Dh. Ein Frontalcrash innerorts (2 Fahrzeuge je 50 km/h) hat Auswirkungen wie ein ungebremster Unfall mit 100 km/h gegen eine Mauer!
Dann ist ein Fangkörpersitz doch bestimmt besser, oder?
Nicht unbedingt. Die Fangkörpersitze sollen im Unfallgeschehen dafür sorgen, dass nicht nur der Kopf des Kindes die Kraft aufnimmt und nach vorne schleudert wird, sondern dass das Kind mit dem kompletten Oberkörper über den Fangkörper abrollt. Dafür muss der Fangkörper korrekt platziert sein – unter dem unteren Rippenbogen. Bei den meisten Kindern ist dieser Zustand erst im Alter von ca. 3 Jahren erreicht. Vorher sitzt der Fangkörper zu hoch und das Abrollen mit dem Oberkörper ist nicht möglich. Ergo, wir haben den gleichen Effekt wie beim 5-Punkt-Gurt.

Beim Reboarder dagegen wird die Aufprallenergie die beim Crash entsteht gleichmäßig über den gesamten Rücken des Kindes verteilt und die Sitzschale wirkt wie ein Schutzschild für den gesamten Körper.

Die meisten Kinder müssen aufgrund des begrenzten Platzes aber schon viel früher in den Folgesitz wechseln; meist im Alter zwischen 9 und 15 Monaten.

Dann sollten wir aber doch alle besser rückwärts fahren!

Das ist richtig, jedoch verändern sich die Proportionen unseres Körpers wenn wir wachsen. Während bei einem 5 Monate alten Säugling der Kopf noch 25% des Körpers ausmacht sind es bei einem 25-jährigen Erwachsenen nur noch 6 %. Weiterhin ist bei älteren Kindern und Erwachsenen die Nackenmuskulatur stärker ausgeprägt und kann somit auch stärkeren Belastungen ausgesetzt werden. Ein Baby dagegen hat gerade erst gelernt seinen Kopf aufrecht auf den Schultern zu tragen. Wie soll es da die Kraft besitzen einen Unfall abzufangen?
Aber was ist bei einem Heckunfall? Da wäre mein Kind doch vorwärtsgerichtet besser geschützt!?
Richtig! Bei einem Heckcrash passiert mit dem Kind genau das, was bei einem Frontalcrash im vorwärtsgerichteten Sitz passiert. ABER: Frontalcrashs machen 59% aller schweren bis tödlichen Unfälle aus, Heckcrashs dagegen nur verschwindend geringe 2%. Daher ist der Reboarder in jedem Fall sicherer! Dennoch: 100%ige Sicherheit erreicht man mit keinem Sitz.
Wenn die vorwärtsgerichteten Sitze so gefährlich sind, warum werden sie in Deutschland dann noch verkauft?
Ich würde es vorsichtig einmal so ausdrücken: Vorwärtsgerichtete Sitze sind einfach nicht sicher genug. Der deutsche Gesetzgeber gibt sich – was die Sicherheitsnorm angeht – mit sehr wenig zufrieden. Während die Reboardbewegung die größtmögliche Sicherheit für die Kinder fordert, gibt sich Deutschland mit der – meiner Meinung nach - viel zu laschen ECE 44-04 Norm zufrieden. Wie oben bereits gesagt: Vorwärts 60% Schutz, rückwärts 95% Schutz. Am Ende des Tages bleibt es den Eltern überlassen welchen Schutz sie für ihr Kind wählen.
Schön und gut… aber mein Kind quengelt jetzt schon weil es nichts sieht!
Prima! Dann ist der Reboarder genau das Richtige! Die Reboarder sind konstruktionsbedingt schon höher gebaut als ein „normaler“ vorwärtsgerichteter Sitz. Daher haben die Kids die beste Panoramasicht die es gibt: Die Heckscheibe und beide Seitenscheiben! Reboard-Kinder sehen sogar mehr als die vorwärts fahrenden Kinder, die nur beim Beifahrer auf den Vordersitz schauen können!
Und was ist mit den Beinen?? Die armen Kinder haben doch keinen Platz für die Beine!
Zunächst einmal: Kinder sind Kinder und keine kleinen Erwachsenen. Wir dürfen also nicht den Fehler machen und uns vorstellen, wie wir mit unseren „alten“ Knochen in einem Reboarder sitzen. Kinder sind gelenkig, flexibel und sehr erfinderisch. Sie können die Beine an der Lehne aufstellen oder im Schneidersitz sitzen. Sie können die Beinchen auch links und rechts herunterhängen lassen, oder nur ein Bein anwinkeln und das andere baumeln lassen… Ihr seht, es gibt 100 Möglichkeiten! Im vorwärtsgerichteten Sitz beispielsweise schlafen vielen Kindern die Beine ein, da sie nicht die Möglichkeit haben sie irgendwo abzustellen. Setzt euch mal längere Zeit auf einen Barhocker ohne Fußstütze, ihr werdet merken was ich meine!
Uns wurde aber gesagt, dass die Sitze so schwer einzubauen sind!
Nun, das kommt ganz darauf an welche Einstellung man dazu hat. In Skandinavien beispielsweise ist das vorwärtsfahren vor dem 4. Lebensjahr gänzlich unüblich! Jetzt frage ich Euch: Sind die Skandinavier einfach intelligenter als deutsche Eltern? Ich glaube nicht! Sie sind durch ihre Länder einfach nur besser aufgeklärt und setzen daher die Prioritäten anders! Nicht umsonst kommen die sichersten Autos aus Skandinavien! Sie sind vielleicht nicht „schön“ im herkömmlichen Sinne, aber dafür extrem sicher! Und darum sollte es sich doch im Endeffekt bei einem Kindersitz drehen! Übrigens: Pflicht ist das rückwärtsfahren in Skandinavien nicht und trotzdem fahren dort über 90 % der Kinder unter 4 Jahren rückwärts! Aufklärung macht es möglich!

Bei einem Reboarder braucht man – je nach Modell – vielleicht wenige Minuten länger beim Einbau und man sollte sich ein Einbauvideo dazu angesehen haben, aber sobald man diesen Einbau ein- oder zweimal durchgeführt hat geht das nicht langsamer als bei vorwärtsgerichteten Sitzen auch. Es gibt eben Dinge im Leben, mit denen man sich einfach mal auseinandersetzt haben muss. Oder konntet ihr auf Anhieb ein Smartphone bedienen ohne zu üben und auszuprobieren?
Aber die Sitze werden bei den verschiedenen Testläufen namhafter Tester immer so schlecht bewertet! Ist es nicht besser den Testsieger zu kaufen?
Jaja, die Deutschen und ihre uneingeschränkte Test(gut)gläubigkeit (ich nehme mich da in anderen Bereichen nicht aus…). Wer macht sich allerdings die Mühe, einen solchen Test einmal näher zu betrachten und die einzelnen Ergebnisse genauer unter die Lupe zu nehmen? HA! Seht ihr!? Das habe ich früher auch nicht gemacht. Wir schauen immer schön brav auf das Endergebnis und denken: „Toll, ich brauche mich nicht näher damit zu befassen, der Sitz hat ein „gut“ oder gar „sehr gut“ und dann kann das ja nicht schlecht sein. Ich treffe die beste Wahl für mein Kind.“ Weit gefehlt.

Wenn ihr euch so einen Test einmal genauer anseht werdet ihr feststellen, dass dort Dinge wie Einbaukomfort, Design, Handling, Gewicht etc. gleichgesetzt werden mit SICHERHEIT! Das bedeutet: Sicherheit geht zum Teil nur zu 50% (!) in diese Testergebnisse mit ein! Aber auf was kommt es denn im Endeffekt an, wenn ich einen solchen Sitz kaufe?! Auf die Sicherheit meines Kindes beim Unfall! Wen interessiert denn beim Unfall ob der Sitz ein ansprechendes Design hat? Bei Reboardern führt das im Allgemeinen dazu, dass der – zugegebenermaßen – ein wenig aufwändigere Einbau die Note verschlechtert! Klar, der Sitz muss natürlich schwerer und stabiler sein, da er ja nicht an der Rücksitzlehne anliegt.

Dass der Reborder generell Bestwerte im Bereich Frontalcrash hat und meist kein anderer vorwärtsgerichteter Sitz mithalten kann, ist so nicht ersichtlich. Meist bekommt man diese Information in Nebensätzen im Begleittext des Tests. Z.B: Der rückwärtsgerichtete Transport ist für Kinder bis zum Alter von 4 Jahren der sicherste. Nur: Das steht leider nicht auf den Hochglanzzetteln die an den „Testsieger“-Sitzen angebracht sind.
Die sind aber so teuer…!
Im Vergleich zu anderen Markenherstellern vorwärtsgerichteter Systeme ist der Unterschied nicht mehr wirklich groß. Und: statt dem 15. Bilderbuch und der 20. Puppe freut sich so ein Baby bestimmt auch über einen Geldbetrag der in einen Kindersitz investiert werden kann. Ich denke einfach, für die Sicherheit unserer Kinder – und in diesem Fall kann sie über Leben und Tod entscheiden – sollte uns kein Preis zu hoch sein.

Und so unglaublich unerschwinglich ist der Preis nicht. Versprochen ;-)
Und warum ohne dickes Winterzeug anschnallen?
Das gilt übrigens nicht nur für die Kids! Auch ihr solltet euch -auch im Winter - möglichst ohne Daune, Mantel & Co. hinters Steuer setzen. Der Gurt verläuft über der dicken Kleidung nicht nah genug am Körper um diesen fest genug zu halten im Unfallgeschehen. Für die Kids im Sitz heißt das konkret: Die Luft die durch das dicke Winterzeug zwischen Körper und Gurt ist muss zunächst erst herausgepresst werden bevor der Gurt das Kind hält. Dies heißt wiederrum, dass der Gurt entsprechend zu locker sitzt und das Kind im schlimmsten Falle aus dem Gurtzeug herausgeschleudert werden kann und im besten Fall schlimme Verletzungen davonträgt, da es durch die lockeren Gurte zunächst beschleunigt wird bevor es dann abrupt abgebremst wird. Also: Autositzponcho anziehen und das Kind steckt warm, aber sicher im Kindersitz!